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Das Legat Cornelius Gurlitt

Am 6. Mai 2014 verstarb Rolf Nikolaus Cornelius Gurlitt (1932 – 2014), Sohn des deutschen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895 – 1956). Zuvor hatte er die Stiftung Kunstmuseum Bern testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt (Legat Cornelius Gurlitt).

Onlinedatenbank DER NACHLASS GURLITT


Im November 2014 hat die Stiftung Kunstmuseum Bern das Erbe angenommen und gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern die historische Verantwortung für den Nachlass an Kunstwerken aus dem ehemaligen Besitz des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt übernommen.

Der Nachlass Cornelius Gurlitt beinhaltet rund 1.600 Werke, vor allem Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts sowie qualitätsvolle Papierarbeiten der deutschen Moderne. Eine Sondergruppe sind Werke aus Familienbesitz der Künstler Heinrich Louis Theodor Gurlitt (1812 – 1897) und Cornelia Gurlitt (1890 – 1919). Einen Grossteil der Kunstwerke hatte Hildebrand Gurlitt während der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland (1933 – 1945) zusammengetragen. Die Werke des Legats Gurlitt sind in der Datenbank DER NACHLASS GURLITT abrufbar.

Bis März 2021 wurden neun Kunstwerke aus dem Legat Cornelius Gurlitt an die Nachfahren ihrer rechtmässigen Eigentümer:innen restituiert.

Vereinbarung zum Legat Cornelius Gurlitt 2014

Die Rahmenbedingungen für den Umgang mit dem Legat Cornelius Gurlitt sind in der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Bayern und der Stiftung Kunstmuseum Bern von November 2014 fixiert (Vereinbarung 2014). Der Vertrag beinhaltet auch Aufgabenteilungen bezüglich Provenienzrecherche und Restitution von NS-Raubkunst. 

Grundlegende Recherchen zu dem unter Raubkunstverdacht stehenden Bestand wurden von der Taskforce «Schwabinger Kunstfund» (2013 – 2015) sowie den Projekten «Provenienzrecherche Gurlitt» (2016 – 2017) und «Reviews, Dokumentation und anlassbezogene Forschungsarbeiten zum Kunstfund Gurlitt» (2018) im Auftrag der Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien durchgeführt.

Mit Abschluss der Vereinbarung 2014 hat das Kunstmuseum Bern erklärt, einen substantiellen Beitrag zur Provenienzforschung leisten zu wollen. 2017 konnte das Kunstmuseum Bern diese Absicht mit der Einrichtung einer Abteilung für Provenienzforschung realisieren.

In der Vereinbarung 2014 haben sich die Vertragspartner auf ein Verfahren zum Umgang mit den unterschiedlich zu kategorisierenden Werken des Legats Cornelius Gurlitt geeinigt («Provenienzampel»).

Rote Kategorie
Für Kunstwerke, die nach grundlegenden Provenienzabklärungen als NS-Raubkunst identifiziert werden konnten, hat das Kunstmuseum Bern per Vereinbarung 2014 das Eigentum aufgegeben. Diese Werke gehen bis zur Rückgabe an den rechtmässigen Eigentümer oder dessen Nachfahren in den treuhänderischen Besitz der Bundesrepublik Deutschland über.

Grüne Kategorie
Kunstwerke, für die ein Verdacht auf NS-Raubkunst ausgeschlossen werden kann, verbleiben im Eigentum des Kunstmuseum Bern.

Gelbe Kategorie
In den Fällen ohne eindeutigen Ausschluss oder Bestätigung eines Raubkunstverdachts hat das Kunstmuseum Bern gemäss Vereinbarung 2014 das Recht, das Eigentum aufzugeben und die Werke der Bundesrepublik Deutschland zu übergeben. Es besteht ein sogenanntes Wahlrecht.

Das Legat Gurlitt am Kunstmuseum Bern


Durch umfangreiche Provenienzrecherchen zum Legat Cornelius Gurlitt ist eine differenzierte Bewertung der Erkenntnisse möglich.

Nach Abschluss der Recherchen in Deutschland, die im Rahmen der Taskforce «Schwabinger Kunstfund» (2013 – 2015) und den Projekten «Provenienzrecherche Gurlitt» (2016 – 2017) sowie «Reviews, Dokumentation und anlassbezogene Forschungsarbeiten zum Kunstfund Gurlitt» (2018) erfolgten, wurde der übergebene Erkenntnisstand nach den Provenienzkategorien des Kunstmuseums Bern bewertet. Die gleichen Kategorien finden Anwendung bei der Bewertung der Forschungsergebnisse von Abklärungen zu Werken des Konvoluts sogenannte «Entartete Kunst» durch das Kunstmuseum Bern und die Forschungsstelle «Entartete Kunst» an der Universität Hamburg (Projektphase 1: 2019 – 2020, Projektphase 2: 2020 – 2022).

Die Kategorisierung des Kunstmuseums Bern soll helfen, Entscheidungen hinsichtlich einer allfälligen Aufgabe des Eigentums an Werken zu treffen und damit dazu beitragen, Fälle ungesicherter Provenienz mit Anspruchstellern einvernehmlich zu lösen.

Definition neuer Provenienzkategorien durch das Kunstmuseum Bern


Die Bewertung der Erkenntnisse grundlegender Provenienzabklärungen wird am Kunstmuseum Bern in einem differenzierten System wie folgt abgebildet:

Ausübung des Wahlrechts

Den Rahmen für die Entscheidung der Stiftung Kunstmuseum Bern bilden zum einen international anerkannte, museumsethische Grundsätze, denen sich das Kunstmuseum Bern verpflichtet fühlt (Washingtoner Prinzipien 1998, Theresienstädter Erklärung 2009, ICOM Code of Ethics for Museums 2004). Zum anderen spielt ein verantwortungsvoller Umgang mit unsicheren Erkenntnislagen eine zentrale Rolle. Die Stiftung Kunstmuseum Bern hat, gestützt auf umfassende historische Forschungsarbeiten sowie rechtliche und ethisch-moralische Überlegungen am 21. Dezember 2020 sowie am 5. November 2021 folgende Entscheide gefällt:

  • Die Stiftung Kunstmuseum Bern übernimmt die Werke der Kategorie «Gelb-Grün» endgültig. Diese Werke verbleiben im Eigentum des Kunstmuseum Bern.
  • Die Stiftung Kunstmuseum Bern gibt das Eigentum an Werken der Kategorie «Gelb-Rot» auf und übergibt diese Werke der Bundesrepublik Deutschland, sofern kein Forschungsbedarf mehr gegeben ist, keine Ansprüche gestellt werden und keine potentiell Berechtigten ersichtlich sind.
  • Die Stiftung Kunstmuseum Bern wird auf Werken der Kategorie «Gelb-Rot» lastende Ansprüche behandeln oder potentiellen Ansprüche nachgehen und Möglichkeiten für einvernehmliche Lösungen ausloten. Dabei strebt die Stiftung Kunstmuseum Bern bei nicht eindeutigen, lückenhaften Erkenntnislagen eine für Anspruchssteller:innen und Institution faire und gerechte Lösung an, die dem Gerechtigkeitsempfinden auf beiden Seiten Rechnung trägt und in Bezug auf Lösungsmodelle offen ist. Falls dies erfolgreich ist, erfolgt für solche Werke keine Übergabe an die Bundesrepublik Deutschland, sondern eine Übergabe an die Anspruchssteller:innen oder potentiell Berechtigten.
  • Für den Fall, dass sich ein von der Stiftung Kunstmuseum Bern dauerhaft übernommenes Kunstwerk bei weiteren Provenienzrecherchen durch das Kunstmuseum Bern als NS-Raubkunst erweisen sollte, erfolgt eine umgehende Restitution an die Berechtigten.
  • Transparenz: Die Stiftung Kunstmuseum Bern veröffentlicht die Werke des Legats Cornelius Gurlitt in der Onlinedatenbank DER NACHLASS GURLITT.  

Leihgabepraxis für Kunstwerke des Legats Cornelius Gurlitt, die im Zuge der sogenannten Aktion «Entartete Kunst» (1937) aus Deutschem Museumsbesitz entzogen wurden


Das Kunstmuseum Bern behandelt Leihgesuche von Museen und Sammlungen für Kunstwerke, die ihnen im Rahmen der Aktion «Entartete Kunst» vom Deutschen Reich 1937 entzogen wurden und die sich heute im Legat Cornelius Gurlitt wiederfinden, prioritär. Ein massgebliches Kriterium für die Leihgabe ist der konservatorische Befund eines jeden Einzelwerks und die Einhaltung konservatorischer Bedingungen der leihnehmenden Institution.